Wir wohnten im dritten Stock mitten in der Stadt und haben
uns nie etwas zuschulden kommen lassen, auch mit Dörfelts
von gegenüber verband uns eine jahrelange Freundschaft,
bis die Frau sich kurz vor dem Fest unsere Bratpfanne
auslieh und nicht zurückbrachte.
Als meine Mutter dreimal vergeblich gemahnt hatte, riss
ihr eines Tages die Geduld, und sie sagte auf der Treppe
zu Frau Muschg, die im vierten Stock wohnt, Frau Dörfelt
sei eine Schlampe. Irgendwer muß das den Dörfelts
hinterbracht haben, denn am nächsten Tag überfielen
Klaus und Achim unseren Jüngsten, den Hans, und prügelten
ihn windelweich.
Ich stand grad im Hausflur, als Hans ankam und heulte.
In diesem Moment trat Frau Dörfelt drüben aus
der Haustür, ich lief über die Straße,
packte ihre Einkaufstasche und stülpte sie ihr über
den Kopf. Sie schrie aufgeregt um Hilfe, als sei sonst
was los, dabei drückten sie nur die Glasscherben
etwas auf den Kopf, weil sie ein paar Milchflaschen in
der Tasche gehabt hatte.
Mittagszeit, und da kam Herr Dörfelt mit dem Wagen
angefahren. Ich zog mich sofort zurück, doch Elli,
meine Schwester, die mittags zum Essen heimkommt, fiel
Herrn Dörfelt in die Hände. Er schlug ihr ins
Gesicht und zerriß dabei ihren Rock. Das Geschrei
lockte unsere Mutter ans Fenster, und als sie sah, wie
Herr Dörfelt mit Elli umging, warf unsere Mutter
mit Blumentöpfen nach ihm. Von Stund an herrschte
erbitterte Feindschaft zwischen den Familien.
Weil wir nun Dörfelts nicht über den Weg trauen,
installierte Herbert, mein ältester Bruder, der bei
einem Optiker in die Lehre geht, ein Scherenfernrohr am
Küchenfenster. Da konnte unsere Mutter, waren wir
anderen alle unterwegs, die Dörfelts beobachten.
Augenscheinlich verfügte diese über ein ähnliches
Instrument, denn eines Tages schossen sie von drüben
mit einem Luftgewehr herüber. Ich erledigte das feindliche
Fernrohr dafür mit einer Kleinkaliberbüchse,
an diesem Abend ging unser Volkswagen unten im Hof in
die Luft. Unser Vater, der als Oberkellner im hochrenommierten
Caf‚ Imperial arbeitete, nicht schlecht verdiente
und immer für den Ausleich eintrat, meinte, wir sollten
uns jetzt an die Polizei wenden.
Aber unserer Mutter paßte das nicht, denn Frau
Dörfelt verbreitete in der ganzen Straße, wir,
das heißt, unsere gesamte Familie, seien derart
schmutzig, daß wir mindestens zweimal jede Woche
badeten und für das hohe Wassergeld, das die Mieter
zu gleichen Teilen zahlen müssen, verantwortlich
wären.
Wir beschlossen also, den Kampf aus eigener Kraft in aller
Härte aufzunehmen, auch konnten wir nicht mehr zurück,
verfolgte doch die gesamte Nachbarschaft gebannt den Fortgang
des Streites. Am nächsten Morgen schon wurde die
Straße durch ein mörderisches Geschrei geweckt.
Wir lachten uns halbtot, Herr Dörfelt, der früh
als erster das Haus verließ, war in eine tiefe Grube
gefallen, die sich vor der Haustür erstreckte. Er
zappelte ganz schön in dem Stacheldraht, den wir
gezogen hatten, nur mit dem linken Bein zappelte er nicht,
das hielt er fein still, das hatte er sich gebrochen.
Bei alledem konnte der Mann noch von Glück sagen
- für den Fall, daß er die Grube bemerkt und
umgangen hätte, war der Zünder einer Plastikbombe
mit dem Anlasser seines Wagens verbunden. Damit ging kurze
Zeit später Klunker-Paul, ein Untermieter von Dörfelts,
hoch, der den Arzt holen wollte.
Es ist bekannt, das die Dörfelts leicht übelnehmen.
So gegen zehn Uhr begannen sie unsere Hausfront mit einem
Flakgeschütz zu bestreichen. Sie mußten sich
erst einschiessen, und die Einschläge befanden sich
nicht alle in der Nähe unserer Fenster.
Das konnte uns nur recht sein, denn jetzt fühlten
sich auch die anderen Hausbewohner geärgert, und
Herr Lehmann, der Hausbesitzer, begann um den Putz zu
fürchten. Eine Weile sah er sich die Sache noch an,
als aber zwei Granaten in seiner guten Stube krepierten,
wurde er nervös und übergab uns den Schlüssel
zum Boden.
Wir robbten sofort hinauf und rissen die Tarnung von
der Atomkanone. Es lief alles wie am Schnürchen,
wir hatten den Einsatz oft genug geübt, die werden
sich jetzt ganz schön wundern, triumphierte unsere
Mutter und kniff als Richtkanonier das rechte Auge fachmännisch
zusammen.
Als wir das Rohr genau auf Dörfelts Küche eingestellt
hatten, sah ich drüben gegenüber im Bodenfenster
ein gleiches Rohr blinzeln, das hatte freilich keine Chance
mehr, Elli, unsere Schwester, die den Verlust ihres Rockes
nicht verschmerzen konnte, hatte zornroten Gesichts das
Kommando >>Feuer!<< erteilt. Mit einen unvergeßlichen
Fauchen verließ die Atomgranate das Rohr, zugleich
fauchte es auch auf der Gegenseite. Die beiden Geschosse
trafen sich genau in der Straßenmitte.
Natürlich sind wir nun alle tot, die Straße
ist hin, und wo unsere Stadt früher stand, breitet
sich jetzt ein graubrauner Fleck aus. Aber eins muß
man sagen, wir haben das Unsere getan, schließlich
kann man sich nich alles gefallen lassen.
Die Nachbarn tanzen einem sonst auf der Nase herum.
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